Physiknobelpreis 1961: Robert Hofstadter — Rudolf Ludwig Mößbauer

Physiknobelpreis 1961: Robert Hofstadter — Rudolf Ludwig Mößbauer
Physiknobelpreis 1961: Robert Hofstadter — Rudolf Ludwig Mößbauer
 
Hofstadter wurde für seine Studien über den Atomkern, Mößbauer für seine Forschungen über die Resonanzabsorptionder Gammastrahlung ausgezeichnet.
 
 Biografien
 
Robert Hofstadter, * New York 5. 2. 1915, ✝ Stanford (Kalifornien) 17.11.1990; 1938 Promotion, ab 1946 Fakultätsmitglied in Princeton, ab 1950 Professor an der Stanford University in Kalifornien.
 
Rudolf Ludwig Mößbauer, * München 31. 1. 1929; 1957 Promotion in Heidelberg, 1961-64 Professor am California Institute of Technology in Pasadena, 1964-72 Professor an der Technischen Universität in München.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Im Jahr 1911 stellte Ernest Rutherford (Nobelpreis für Chemie 1908) das von ihm entwickelte Atommodell vor: keine rosinenkuchenartige Verteilung positiver und negativer Ladung mehr, sondern stattdessen eine Struktur analog zu unserem Sonnensystem. Ein positiv geladener Kern wird, konzentriert auf die Mitte des kugelförmigen Atoms, von den negativ geladenen Elektronen planetenartig umkreist. Genau 50 Jahre später ging der Physiknobelpreis an Robert Hofstadter, der eine neuartige experimentelle Methode zur Erforschung der inneren Strukturen von Rutherfords Atomkern entwickelt hatte. Aber auch Rudolf Mößbauers Arbeit geht auf Rutherfords Annahme der Existenz eines Atomkerns zurück: Er untersuchte Emission und Absorption von Gammastrahlung durch Atomkerne und stieß dabei auf den so genannten Mößbauer-Effekt.
 
 »Sie leben noch?«
 
Während sich Hofstadter zur Zeit seiner Nobelpreisverleihung bereits einen Namen gemacht und sowohl in der Wissenschaft als auch der Industrie gearbeitet hatte, stand Mößbauer erst am Anfang seiner Karriere. Die Entdeckung des nach ihm benannten Effekts fand während seiner Promotion in Heidelberg statt und katapultierte den aufstrebenden Physiker ins Zentrum des öffentlichen Interesses. Es sollten zwar nach seinen ersten — auf Deutsch verfassten — Veröffentlichungen noch einige Monate vergehen, bis es in der Wissenschaftswelt positive Reaktionen gab, doch dann war der Erfolg bemerkenswert. Bald wurden seine Versuche weltweit nachgeahmt und auf ihre vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten überprüft.
 
Mößbauers früher Ruhm hatte auch eher kuriose Folgen. Als der noch aktive Physiker in den 1980er-Jahren einem Kollegen vorgestellt wurde, reagierte dieser völlig überrascht mit den Worten: »Was, Sie leben noch?«
 
 Des Protons Innenleben
 
Als Hofstadter 1950 an die Universität von Stanford kam, faszinierte ihn der universitätseigene lineare Teilchenbeschleuniger. Dieser beschleunigte geladene Elementarteilchen auf einer geraden Bahn und produzierte leichter als ein Zyklotron hochenergetische Elektronen. Ausgehend von diesem Teilchenbeschleuniger entwickelte Hofstadter in den kommenden Jahren eine Apparatur für Elektronenstreuexperimente, die mit immer größerer Präzision durchgeführt werden konnten. Im Gegensatz zur Streuung von Hadronen wie Nucleonen oder Mesonen, bei der mögliche Verteilungsunterschiede oft nicht nachweisbar sind und die Messung durch die beträchtliche Absorption beeinträchtigt wird, lässt sich durch Streuung von Leptonen — insbesondere Elektronen und Myonen — eine recht genaue Kenntnis über die kerninnere Struktur gewinnen. Mithilfe seiner Konstruktion untersuchte Hofstadter mit Studenten und Kollegen diese Struktur. Ziel war die Ermittlung der Ladungsverteilung im Kern sowie die Verteilung von Ladung und magnetischem Moment von Proton und Neutron. Hofstadters Streuapparat diente dabei zur Zählung der gestreuten Elektronen und der Erfassung des Streuwinkels. Aus diesen Werten berechnete er schließlich die Platzierung der Kernbestandteile mit höchster Genauigkeit und gelangte so zu einer ausgefeilten Theorie über das Innenleben des Atomkerns.
 
1956 gelang es Hofstadter, den Durchmesser des Protons auf 0,0000000000008 Millimeter festzulegen. Im April 1961 präsentierte er schließlich seine Ergebnisse zum Aufbau der Kernbausteine: Sowohl Proton als auch Neutron bestehen aus einem positiv geladenen Materiekern, der von zwei Mesonenschalen, Yukawa-Wolken, umgeben ist. Während eine dieser Schalen im Fall des Neutrons negativ geladen ist und sich die Gesamtladung zu Null addiert, konnte experimentell bewiesen werden, dass beim Proton beide Schalen positiv geladen sind.
 
 Ungeplante Absorption
 
Mößbauer untersuchte im Rahmen seiner Dissertation die Resonanzabsorption von Gammastrahlen durch Atomkerne. Ähnlich den Elektronen der Atomhülle liegen auch beim Kern nur diskrete Energiezustände vor, was bedeutet, dass er nur Lichtquanten bestimmter Energien emittieren und absorbieren kann. Der Kern, der eine Gammaquante aussendet, erfährt durch die Emission einen Rückstoß, wofür ein Teil der Energie des Gammaquants abgezweigt wird. Dies passiert auch bei der Absorption und führt dazu, dass die Energie eines von einem Kern emittierten Quants möglicherweise geringer ist als zur Absorption durch einen identischen Kern nötig. Ähnlich verhält es sich bei der Absorption durch Elektronen in der Atomhülle. Durch thermische Bewegungen verursacht der so genannte Doppler-Effekt allerdings eine Verbreiterung der Resonanzfrequenzen, sodass sich die Bereiche der bei der Emission frei werdenden Energie wieder mit denen der Absorption überlappen. Die Gammaquanten, die bei kernphysikalischen Prozessen eine Rolle spielen, sind jedoch wesentlich energiereicher als bei atomaren Prozessen, sodass der Energieverlust durch Stoß und Rückstoß dazu führen kann, dass es nicht einmal zu einer partiellen Resonanzabsorption kommt.
 
Durch ausreichend große Geschwindigkeit einer Strahlenquelle in Richtung eines Absorbers lässt sich eine Resonanz nachweisen, da der Doppler-Effekt für einen Energiezuwachs sorgt und sich Resonanz- und Absorptionskurve decken. Mößbauer wollte nachweisen, dass eine niedrigere Temperatur zum Verschwinden möglicher Resonanzen führt. Stattdessen fand er bei der Arbeit mit Iridiumkernen heraus, dass ein Atomkern in einem Festkörper Gammastrahlen ohne Rückstoß emittieren und absorbieren kann, wenn der Atomkern fest in ein Kristallgitter eingebettet ist. Es ist möglich, dass die Rückstoßenergie geringer ist als die kleinste quantisierte Vibrationsenergie, die vom Gitter aufgenommen werden kann. Mit diesen Erkenntnissen begann er, eine theoretische Grundlage auszuarbeiten.
 
 Anwendung und Weiterentwicklung
 
Mithilfe von Mößbauers Verfahren war es möglich, Gammastrahlung von extremer Schärfe zu erzeugen. Es erlaubte wesentlich genauere Messungen zur Relativitätstheorie. Auch chemische Bindungen und Festkörperstrukturen wurden so messbar. Seine Methode wird sowohl in der Geologie als auch in der Biologie angewandt, sogar Mondgestein und prähistorische Töpferarbeiten können damit analysiert werden. Mößbauer beschäftigte sich weiter mit Elementarteilchen und untersuchte insbesondere die Neutrinostrahlung und die Eigenschaften dieses möglicherweise massenlosen Teilchens.
 
C. Hein

Universal-Lexikon. 2012.

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